Der steinige Weg der Professorinnen in die Wissenschaft

Preußen gehörte 1908 zu den Schlusslichtern bei der Einführung des Frauenstudiums und Zulassung von Hochschullehrerinnen in Europa. Andere Länder hatten teils schon Jahr­zehnte früher diesen Schritt getan. Das am häufigsten gewählte Fach unter den neuen Studentinnen war Medizin, gefolgt von den Geisteswissenschaften, speziell Kunst­geschichte. Die Möglichkeit ein Studium aufzunehmen bedeutete jedoch noch lange nicht, auch die akademische Laufbahn einschlagen zu können – eine solche wurde den Frauen gerade in Kiel lange verwehrt. Eine besondere Ausnahme bildete die Archäologin Johanna Mestorf, die als erste Frau Preußens von der Kieler Universität 1899 den Titel einer Honorar­professorin und zehn Jahre später die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät verliehen bekam. Das allgemeine Habilitationsrecht erhielten Akademikerinnen erst 1919.

Einen ersten Höhepunkt an weiblichen Lehrkräften an deutschen Hochschulen gab es zum Ende der Weimarer Republik, unter den Nationalsozialisten wurden die Frauen jedoch konsequent in ihre Rolle als Hausfrau und Mutter zurückgedrängt. Als die männlichen Professoren und Lehrbeauftragten während des Zweiten Weltkriegs an die Front mussten, über­nahmen oft Frauen die kommissarische Leitung vieler Institute, wurden aber nach 1945 wieder auf Privatdozenturen oder Hilfs­kraft­posten zurückgestuft. Bis Anfang der 1960er Jahre war es den Kieler Professoren sogar vorbehalten, weibliche Studierende ohne weitere Begründung von ihren Vorlesungen auszuschließen.

Die erste Berufung auf ein Ordinariat wurde in Kiel 1966 der Juristin Hilde Kaufmann zuteil, die vier Jahre lang Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Christiania Albertina lehrte. 1968 folgte Antonie Wlosok für Germanische, nochmals zwei Jahre später Ingeborg Leimberg für Englische Philologie. Zur außerplanmäßigen Professorin für Wirtschaftliche Staatswissenschaften wurde Gertrud Savelsberg bereits 1944, die berühmte Musikwissenschaftlerin Anna Amalie Abert aber erst 1962 ernannt, genau wie Katesa Schlosser, die zwei Jahre später in das Amt einer Wissenschaftlichen Rätin und Professorin für Völkerkunde aufsteigen konnte. Auch Anni Meetz lehrte ab 1959 zehn Jahre lang als ebensolche Germanistik und Literaturgeschichte. Annemarie Dührssen bekam 1965 den Titel einer Honorarprofessorin verliehen.

Obwohl es bundesweit zwischen 1970 und 1975 in Folge der Hochschulreform und Frauenbewegung zu einem signifikanten Zuwachs an Akademikerinnen kam, schlug sich diese Entwicklung nicht in der Kieler Zahl an Professorinnen wieder. Ein konstanter Anstieg der weiblich besetzten Professuren ist erst in der Dekade vor der Jahrtausendwende auszumachen – zwischen 1990 und dem Wintersemester 1999/2000 wurden 34 Frauen an der CAU in das entsprechende akademische Amt berufen. 1992 richtete die Universität an jeder Fakultät eine Frauen­beauftragte ein – ein Hinweis darauf, dass ab diesem Zeitpunkt auch in Kiel endlich die Unter­repräsentation von Akademikerinnen als Problem wahrgenommen wurde.

Auch wenn im schleswig-holsteinischen Hochschulgesetz verankert ist, dass auf eine Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft hingearbeitet werde, hinkt die CAU im bundesweiten Vergleich auch 2015 noch hinterher. Während das Statistische Bundesamt schon für das Jahr 2012 einen Durchschnitt von 20,4 Prozent Professorinnen-Anteil an deutschen Hochschulen errechnete, kommt die Kieler Universität aktuell nur auf 16,6 Prozent. Und das, obwohl nicht nur die weiblichen Studierenden mit 53,4 Prozent im Prüfungsjahr 2014 die Mehrheit darstellten, sondern mit 57,8 Prozent auch deutlich mehr Frauen ihren Abschluss machten als die männlichen Kommilitonen. Auch wenn fast die Hälfte aller Promotionen an der Kieler Universität von Frauen eingereicht wird, sinkt der Anteil bei den Habilitationen auf rund ein Viertel.

Die höchste Quote an Professorinnen hat im Sommersemester 2015 die Philosophische Fakultät mit 22,4 Prozent vorzuweisen, das Schlusslicht bildet die Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät, bei der nur 2 von 26 Professuren von Frauen ausgefüllt werden. Der Gleichstellungsplan der Universität sieht daher vor, bis 2016 mindestens 20 Prozent der W2- und W3-Professuren mit Frauen zu besetzen. Immerhin lässt sich bei den wissen­schaftlichen Mitarbeiter­innen der CAU ein genereller Aufwärtstrend verzeichnen: während er 2002 noch bei 30 Prozent lag, sind inzwischen 41,4 Prozent des wissenschaftlichen Personals weiblich.

Autorin: Ricarda Richter