Die Christian-Albrechts-Universität in den Jahren 1933 bis 1945

Die NS-Zeit hat die deutschen Universitäten tiefgreifend verändert. 1933 begann die per Gesetz verordnete Gleich­schaltung der Hochschulen, in deren Folge missliebige Hoch­schul­lehrer, v. a. „Nicht-Arier“ und politisch Anders­denkende, zwangsversetzt, -emeritiert oder entlassen wurden. Ein prominentes Beispiel für einen vertriebenen Kieler Wissenschaftler ist Walther Schücking, der der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angehörte und schon von der Macht­übernahme national­sozialistischen Anfeindungen ausgesetzt war. Am 25. April 1933 wurde er beurlaubt und starb zwei Jahre später in Den Haag.

Gleichzeitig wurden die Hoch­schulen nach dem „Führerprinzip“ hierarchisch neu geordnet; die institutionellen und personellen Veränderungen mussten sich letztlich auch auf Forschung und Lehre auswirken. Die Christiana Albertina, die sich wegen ihrer Nähe zu Dänemark als eine „Grenz­land­universität“ verstand, sollte, vor allem unter den Rektoren Georg Dahm, Paul Ritterbusch und Hanns Löhr, umfassend „politisiert“ werden und damit einen Beitrag zur „Volkstums­arbeit“ leisten. Wie dieser Beitrag der einzelnen Wissen­schafts­disziplinen zu den Vorhaben der NS-Führung allerdings konkret aussehen sollte, gaben weder die zuständigen Stellen in Berlin noch die regionalen Instanzen dezidiert vor. Die Hochschul­angehörigen waren entsprechend einer­seits dem starken Druck ausgesetzt, im Sinne des National­sozialismus zu forschen und zu lehren, ohne aber anderer­seits genauere Vorgaben dazu zu haben, wie dies in der Praxis umzusetzen sei.

Ein Feld der Hochschulpolitik, das von verschiedenen Staats- und Partei­stellen intensiv betrieben wurde, war die Personalpolitik. Neben fach­wissen­schaftlichen und pädagogischen Fähig­keiten bewertete man auch die politische Einstellung der Kandidaten. Zugeständnisse an den National­sozialismus, worunter u.a. die Mitglied­schaft in der National­sozialistischen Deutschen Arbeiter­partei (NSDAP) oder einer ihrer Unter­organisationen zählen, konnten die eigene akademische Karriere entsprechend voranbringen. Die folgende Graphik zeigt die Entwicklung der NSDAP-Mitglieder unter den 303 zwischen 1932 und 1942 in Kiel lehrenden Professoren:

NSDAP-Parteimitglieder unter den Kieler Professoren 1932-1942

Beitrittsdaten der NSDAP-Mitglieder unter den Kieler Professoren von 1932-1942

Deutlich sichtbar ist der stufenförmige Anstieg der Kurve, der v.a. auf zwei Ereignisse zurückzuführen ist: Die erste Beitrittswelle im Jahr 1933, als sich die Zahl der Mitglieder unter der Kieler Professoren­schaft von 19 auf 81 erhöhte, also auf einen Schlag vervierfachte, fällt auf die Zeit nach den Reichstags­wahlen im März des Jahres, als ein Beitritt vielen aus Karriere­gründen opportun erschien. Zudem durften erstmals auch Beamte und staatliche Angestellte der Partei angehören. Von den langjährigen Partei­genossen wurden diese neuen Parteimitglieder als „Märzgefallene“ bezeichnet. Da man eine „Überschwemmung“ der NSDAP mit Opportunisten fürchtete, wurde eine Aufnahmesperre verhängt, die am 1. Mai 1933 in Kraft trat und von der erst 1937 wieder abgerückt wurde, sodass die Zahlen in diesem Zeitraum stagnieren. Als man die Aufnahme­sperre 1937 wieder lockerte, kam es zur zweiten großen Beitritts­welle, im Zuge derer sich die Zahl der Partei­mitglieder unter der Kieler Professoren­schaft nochmals beinahe verdoppelte (von 81 (1933) auf 153 (1937)). Aufgehoben wurde die Sperre im Mai 1939. Seit diesem Jahr waren außerdem neue Verbeamtungen an eine Partei­mitglied­schaft gebunden, sodass sich viele Nachwuchs­wissen­schaftler zum Beitritt gezwungen sahen. Im Jahre 1942 schließlich waren 173 der Professoren der Christiana Albertina in der NSDAP. Insgesamt betrachtet waren im vor­liegenden Zeitraum von 303 Professoren 181 NSDAP-Mitglieder, was einer Quote von 60% entspricht. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine Partei­mitgliedschaft allein nur wenig über die tatsächliche politische Einstellung aussagt. Ob jemand aus rein karrieristischen Motiven beitrat und entsprechend nur formelles Mitglied war oder ob er mit der NS-Ideologie ganz oder partiell übereinstimmte, kann – wenn überhaupt – nur durch umfassendere biographische Studien geklärt werden, wofür das Kieler Gelehrten­verzeichnis als Grundlage dienen kann.

Zum Weiterlesen:

  • Christoph Cornelißen und Carsten Mish (Hrsg.): Wissenschaft an der Grenze. Die Universität Kiel im Nationalsozialismus. Essen 2009 (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, 86; „zeit + geschichte“, 14).
  • Martin Göllnitz: Das 'Kieler Gelehrtenverzeichnis' in der Praxis. Karrieren von Hochschullehrern im Dritten Reich zwischen Parteizugehörigkeit und Wissenschaft, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 16 (2013), S. 291-312.

Autorin: Lisa Kragh